Die Corona- und andere Krisen

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Im Sommer 2019 liefen wir vom Genfersee zum Bodensee, sieben Tage, 400 Kilometer. Ein Arbeitskollege stellte fest: «400 Kilometer? Das ist ja wie von Basel nach München, da hab ich mit dem Auto schon Mühe dabei!»
Von Basel nach München, wie blöd ist das denn? Wenn blöd, dann gscheit, drum laufen wir im 2020 von Basel nach München dacht ich mir: vom «Braunen Mutz» ins «Hofbräuhaus».
Es herrscht die Corona-Pandemie. Der Lockdown wurde letzte Woche etwas gelockert. Gewisse Läden und Geschäfte dürfen wieder öffnen, noch nicht alle Branchen. Aber zum grossen Glück die Wirtshäuser (Yeepie!), zwar mit viel weniger Platzangebot, maximal vier Personen pro Tisch. Zwei Meter Abstand von Tisch zu Tisch. Ich kanns verkraften: Hauptsache Bier. Wir nutzen das gnadenlos aus und gehen an die Grenze des Erlauben und treffen uns zu viert, am Vorabend des Loslaufens zum Mut antrinken im «Braunen Mutz».

Basel – Koblenz (62 Kilometer)

Donnerstag, Auffahrt, auf dem Barfüsserplatz vor dem «Braunen Mutz» und bei schönstem Wetter sind dann alle parat: Christian, Banchu, Pia, Brigitte, Anita, Melanie und die Übungsleitung. Daria, an ihrem Haus in Wallbach laufen wir vorbei, will von da an mitsprinten.
«Nur noch fünfzig, sechzig Kilometer!» ruft uns ein Kampfsportfischer bei der Birsfelder Hafenanlage hinterher. Recht hat er, nur ahnen tut ers nicht. Ab dieser Stelle sind es immer noch mehr als sechzig, 62 Kilometer waren angesagt. Die diversen Messungen in Konstanz werden später zwischen 66 und 69 Kilometer aufweisen. Doch wer die Übungsleitung in den letzten Jahren kennen lernte weiss, die angesagte Distanz wurde niemals unterboten, getroffen höchst selten, überboten eigentlich immer. Also alles wie gehabt.
COVID-19 ist sehr anstecken, die Mortalität gegenüber einer Grippe viel höher. Allerdings vor allem bei Risikopatienten: Übergewicht oder Bluthochdruck oder Diabetes oder hohes Alter und gebrechlich. In der Regel trifft bei diese Kandidaten dann gleich mehreres davon zu. Läufst Langstrecke machst was gegen Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und Gebrechlichkeit, allein das hohe Alter macht mir Angst.

Schloss Beuggen
Schloss Beuggen

Dem Rhein entlang, am Schloss Beuggen vorbei, laufen wir heute bis nach Koblenz. Viele Leute auf unserem Weg verhalten sich in dieser Corona-Zeit ganz normal.  Andere, die nicht ganz normal sind, halt nicht normal. Sie beschauen uns schon aus der Ferne misstrauisch. Ob wir sie anstecken wollen? Sind argwöhnisch, weil wir uns erlauben, uns zur selben Zeit wie sie im Wald aufhalten zu gedenken. Auch wenn es noch keine Studie dazu gibt, es hat sich noch keiner mit SARS-CoV-2 im Wald angesteckt. (SARS-CoV-2 heisst der Erreger, die Krankheit COVID-19, beides wird unter dem Oberbegriff «Corona» zusammengefasst. Wieso einfach, wenns kompliziert auch geht?) COVID-19 holt man sich an Türklinken, Wasserhähnen, Griffen und in Menschenansammlungen wo einer einem mit SARS-CoV-2 anrotzt. Und all diese Dinge gibt es im Wald nicht.
Mangel an Verpflegung hält langsam Einzug. Wir kommen in Wallbach an. Daria steht da.

Beim Saftladen
Beim Saftladen

Zwei Buben verkaufen am Wegrand selbstgemachte Fruchtsäfte: rot (Erdbeer), gelb (Hollunder), grün (Minze). Rot auf ex, rot auf ex, grün auf ex, gelb, gelb, rot, rot, grün, gelb. Immer auf ex. Sehr gut, erfrischend und nahrhaft. Den ganzen Saftladen legen wir trocken, alles war leer. Die Buben hatten Spass wie schnell und wie viel wir trinken können. Wer mich kennt, staunt weniger. Dann geht’s weiter, mit Daria nach Laufenburg.
Anita schnauft ungewöhnlich aber konzentriert, ich kenne das aus dem Gebärsaal, diese Atemübungen um die Presswehen zu kontrollieren. Ihre längste Laufstrecke bisher war der Marathon, das hat sie heut längst überboten. Ihr ist schlecht. Atemübungen sind nicht verkehrt, sie hat ja auch Presswehen – einfach am Magen. Sie will auf den Zug. Die Übungsleitung teilt mit, Übelkeit, Erschöpfung, Kotzen sind keine Rechtfertigung zum Aufgeben. Abbruch auf der Langstecke ist nur bei Verletzung erlaubt. Und das schöne beim Ultra-Running ist ja, du strengst dich niemals so an, dass an deine Grenzen kommst – deine Grenze kommt zu dir.
Nach Sandwich und Cola ist Anitas Gesichtsfarbe wieder zart rosa – sie ist bekanntlich der helle Hauttyp. Wir laufen weiter, Anita bereut nach zwei Kilometer. Sattes dunkelrot, zart rosa war mal. Sie sagt zwar nichts, schaut aber so drein, dass der gewiefte, emanzipierte Man weiss: Jetzt einfach Fresse halten! Und ich halte.
Beim KKW Leibstadt noch der letzte Anstieg. Besser mal mitteilen, es sei der letzte und erst noch eine Abkürzung, das stimmt gelinde und beugt etwaigen Tritten in meinen Hinter- oder Unterleib vor. Endlich in Koblenz angekommen. Noch ein Kilometer. Doch die Fussgängerbrücke ist gesperrt. Das macht aus einem Kilometer direkt, drei Kilometer Umweg. Und jetzt erklär das mal Anita.
Aber Daria hat André mit Auto bestellt und der steht unverhofft gleich andere Strecke. Hat unverhofft Bier dabei: Bier saufen. Maske auf. Heimfahren.

Maske auf
Maske auf

Koblenz – Stein am Rhein (65 Kilometer)

Samstag nach Auffahrt. Wetterbericht willst gar nicht wissen, drum wird der hier nicht aufgeschrieben. Es pisste bereits tüchtig bei der Anreise. Eine Frau im Bus bemerkt, dass wir dieselbe Strecke zurücklegen wollen, wie sie. Sie wandert von Basel an ihren Wohnort in Romanshorn in mehreren Tagen. Melanie stellt mal klar und die Frau still und präzisiert: heut laufen wir ab Koblenz bis nach Stein am Rhein. Der Blick der Frau verrät – ich bin Frauenversteher – das hat gesessen. Das Kompetenzverhältnis LSVB vs. Frau ist eindrücklich zurechtgerückt.
Genau wo wir den Bus verlassen, hört der Regen auf. Die Front zieht vor uns davon. Die nächste liegt weit hinter uns. Dem Rhein entlang geht’s Richtung Bad Zurzach, mal auf dem Veloweg, mal auf einem Trail. Nicht nur Frauenversteher, auch Wetterversteher bin ich. Blick zurück in Kaiserstuhl macht klar, in einer Viertelstunde regnets. In einer Viertelstunde regnets. Sechs Stunden lang regnets. Melanie und Banchu nehmen den Zug. Die arme Sau geht weiter im Regen, allein. Doch zuerst besuche ich eine Person mit einem systemrelevanten Beruf: eine Verkäuferin in der Bäckerei.
Systemrelevante Berufe, all die es ums Verrecken benötigt, damit die Grundversorgung gesichert ist. Medizinisches Personal – klar, aber dann auch Verkaufspersonal, Reinigungskräfte, Müllmänner, Angestellte des öffentlichen Verkehrs usw.. Insofern hat der Corona-Lockdown auch was Positives an sich, die Leute mit «systemrelevanten Tätigkeiten» werden mal beim Namen genannt, stehen im Vordergrund und werden entsprechend wertgeschätzt. Akademiker und Hochschulabgänger, die Schön-, Schnell- und Vielschwätzer unter dem Sammelbegriff Bändel-um-den Hals-binder, sind auf einmal viel weniger relevant. Ich wusste es schon immer, du weisst das jetzt auch.
Es schifft Bindfäden quer durchs ganze Zürcher Weinland. Eigentlich eine äusserst attraktive Gegend, Hügel, Wälder, Burgen, Weinberg und kleine Badeseen. Anita ist heute abwesend, sie holt die Etappe nächste Woche bei schönstem Wetter nach, drum werden wir dann gleich nochmal mit ihr da durchlaufen.

Mit Anita bei schönem Wetter
Mit Anita bei schönem Wetter

Schönstes Wetter und Anita mit dabei, das Bild stammt also nicht von heut. Es ist eine Woche später. Christoph machte den Liefer- und Partyservice mit Bier und Cola am Husemersee im Zürcher Weinland.
Zurück in die Gegenwart, im Dauerregen bei Waltalingen unterwegs. Allein und vergessen denk ich mir, was hupt da einer so saublöd. Ich gehe saublöd weiter. Es hupt sauweiterblöd. Wieder zurück. Schüpbach Urs ists, Mitten im Nirgends und gibt letzte Tipps für Bescheuerte im Regen. (Urs Schüpbach: Beruf Rentner, schnellste Marathonzeit beim LSVB (2h23). Er kannte in etwa die Route, benötigte trotzdem das Glück des blinden Huhns mich anzutreffen.)
Bei Stammheim gilts den letzten Hügel nach Stein am Rhein zu bewältigen. Alle sind schon da. Das Hotel ist da. Das Gepäck ist da. Das Bier ist da. Der Regen hört auf. Pia hat Nachtessen auf Schloss Hohenklingen reserviert.

Stein am Rhein
Stein am Rhein

Schloss Hohenklingen – apropos letzter Hügel – das liegt zweihundert Meter über Stein am Rhein. Läufst 65 Kilometer durch die Sintflut und zur Belohnung kannst gleich nochmal auf den Berg zum Essen laufen. Typisch Pia halt, sie kennt keine Gnade vor dem Herrn. Sie machts nicht extra, aber geniest sichtlich wie wir uns hochschleppen. Also doch Absicht – ich hasse sie. Nachträglich objektiv bewertet: Service, Essen, Wein und Aussicht warens wert. Nichtsdestotrotz mein Hass nicht unangebracht.

Stein am Rhein – Romanshorn (51 Kilometer)

Der nächste Tag ist schnell résumiert. Schönes Wetter, dem Untersee und Bodensee entlang nach Romanshorn. Laufen an ungewöhnlich vielen öffentlich zugänglichen Badestränden und Liegewiesen vorbei, was uns im Auge des Badenden, Liegenden, Biersaufenden wahrscheins – wenn auch zurecht – als ziemlich dämlich erscheinen lässt. Jedenfalls läge ich biersaufend da und täte uns zusehen, ich dächte so. Andererseits, dass ich dämlich bin, das ist nichts Neues. Wenns neun Jahre lang in der Schule gesagt kriegst, dass nicht die hellste Kerze auf der Torte bist, wird es wohl stimmen. Der Lehrer weiss doch sowas, der hat schliesslich studiert. Und er ist sogar systemrelevant.
Nur einmal reisst uns ein kurzer Blick zurück aus der Belanglosigkeit. Scheissdreck! Schönwetter hat der Bucheli versprochen. Eine gottverdammt mächtige Gewitterzelle ist im Anmarsch. Wir beginnen zu sprinten. Kreuzlingen mit einem unwettertauglichen Lokal noch zwei Kilometer entfernt. Das wird knapp. Erste Tropfen fallen. Nix wie raus aus dem Unwetter.

LSVB @ Shisha-Bar
LSVB @ Shisha-Bar

Die erste Möglichkeit, raus aus dem Unwetter, rein in die Shisha-Bar. Der Wirt bietet eine Wasserpfeife an (ohne Scheiss!). Wir nehmen Cola. Er offeriert Baklava dazu. Das Gewitter ist durch, der multikulturelle Aspekt der Reise auch abgehakt und wir bei Sonne Richtung Romanshorn zum Fähranleger weiterlaufend.

Friedrichshafen – Urlau (64 Kilometer)

Darauf freue ich mich schon lange. Endlich, die erste Etappe durchs Allgäu. Der Sommerregen vor dem Start merkst jetzt in der Hitze anhand der hohen Luftfeuchtigkeit. Doch bald im Wald Wege bahnend ist es schön angenehm. Wir laufen GPS-gesteuert und finden Pfade, die noch nie einer fand. Hauptsache direkte Linie und das ist gut, weil am kürzesten. Bis zu den ersten Hüglein und Berglein, da merkst schnell, kurz ist schon direkt. Aber schnell ist drum rum, wenn auch doppelt so weit.

Gottes Vorgarten
Gottes Vorgarten

Viele Wege führen zu Gott. Allein dem Atheisten lassen sie nur einen, den übern Berg. Irgendwann ändere ich die Glaubensrichtung, lasse die Berglein aus. Wir nehmen Seitensträsschen, sie sind flacher, wir schneller unterwegs und siehst dabei mehr von der Gegend. Bei Wangen im Allgäu lauert Pia an der Strecke um mitzulaufen, so die Fehleinschätzung. Die will nicht mitlaufen, dafür steigen Anita und Brigitte aus. Meine nie vorhandene Anziehungskraft auf Frauen einmal mehr da, wo sie immer war – in weiter Ferne – ausser Sichtweite – nicht vorhanden wie gesagt.
In weiter Ferne, aber nicht ausser Sichtweite, weit hinter mir links eine mächtige Gewitterfront, sie zieht nach Osten, ich nach Nordosten. Wer beim Lesen gleich mitdenkt und damals im Geographie- und Geometrie-Unterricht nicht mit mir zusammen vor die Tür gestellt wurde, erkennt Windrichtung und meine Laufrichtung treffen sich an einem Schnittpunkt. Schätzungsweise da liegt Urlau, das Etappenziel. Noch zwei Stunden sinds dahin.

Gretchenfrage am Himmel
Gretchenfrage am Himmel

Die Gretchenfrage in der Sache lautet: Wer erreicht zuerst Urlau, das Gewitter oder ich? Hab erheblichen Vorsprung, trotzdem riesiges Muffensausen. Denn die Gewitterzelle, deren Schwärze nur noch vom Schwarz der Nacht überboten wird, ist viel schneller als ich. Wetterleuchten und Donnerhall in der Ferne. Ein Wettlauf mit der Zeit. Noch eine Stunde und ich bin sicher, der Sieger dieses Rennens, das werd ich nicht. Durchs letzte Moor. Den ganzen Tag versucht penibel meine Schuhe trocken und sauber zu halten, jetzt ist solch lächerliches Tun von niedrigster Priorität. Es geht ums Überleben. Schuhe dreckig. Socken nass.
Da, die Häuser von Urlau, das ist schön. Dann da, der historische Gasthof Hirsch, ist der schön. Da, Pia, ist sie schön. Sie wird noch schöner als sie wissen will: «Bier? Wie gross?». Gebe Handzeichen. Der Kellner siehts und bringt eine Mass. Bald setzt der Regen ein, das Gewitter bleibt aus.
In Wallhalla müssen Hugin und Munin nach ihrem täglichen Streifzug zur Erde von meiner aussichtslosen Lage Heldenhaftes an Odins Tafel berichtet haben. Was Thor höchstpersönlich bewog Blitz und Donner in COVIT-Quarantäne zu setzen. Dem Thor ein Opfer darbringen will ich und trink noch eine zweite Mass auf sein Wohl. Hopfen und Malz – Thor erhalt’s! Danach saufen wir noch eins auf Odin.

Urlau – Kaufbeuren (57 Kilometer)

Wetter gut – alles gut. Weiter durchs Allgäu. In Dietmannsried (K25) wartet Beat und packt Pia ins Auto. Brigitte und Anita bleiben auf der Laufstrecke, die alles hergibt, was das Allgäu hergibt. Sanfte Hügellandschaft, Felder mit Traktoren, Felder ohne Traktoren, Wiederkäuer auf Wiesen, Wiederkäuer in Wälder, Dörfer mit Zwiebelkirchturmspitzen oder Zwillingsturmspitzzwiebeln, Burgen auf Hügeln, Klöster auf Hügeln, Klöster nicht auf Hügeln.
Es ist toll im Allgäu. Und wir laufen ins Höfbräuhaus nach München, das ist auch toll. «In München steht ein Hofbräuhaus, doch Freudenhäuser müssen raus…» beklagte sich die «Spyder Murphy Gang». Ins Bordell darf ich nicht, sagt Graziella. Ich kanns verkraften. Bier her, Bier her, oder ich fall um, lautet meine Lebensweisheit und nicht jeder weiss, der Spruch stammt gar nicht von mir! Aber das kommt ja nicht von Ungefähr, dass wir ins Hofbräuhaus laufen. Der Weg ist das Ziel. Hätten wir ins Puff gewollt, wir wären von Basel – nach Karsau zum «Blauen Bock» gelaufen – 20 statt die 400 Kilometer nach München.

Auf eigene Gefahr
Auf eigene Gefahr

Weiter nach Kaufbeuren geht’s auf eigene Gefahr, so stehts auf dem Schild rechts im Bild. Wieder mal eine Situation wo ich – welch Überraschung – auf einmal ganz allein ganz vorne weg laufe, Anita ganz hinten. Abends dann ins Steak-House, er hat die volle Schnauze von der Käsespätzle-Diät voll, manifestiert Beat. Er ist für die Logistik zuständig, er ist der Scheff.

Kaufbeuren – Herrsching am Ammersee (66 Kilometer)

Jetzt mal im Ernst, bis auf die zweite Etappe immer mit Wetterglück unterwegs, schön, warm, nicht zu warm. Heut wirds etwas deftiger, aber wir haben doch Sommer und da brauchst nicht meckern, wenn mit 30 Grad im Schatten ohne Schatten laufen musst. Das könnten auch 36 Grad sein und dann sähe das Manöver ganz anders aus und wir ganz anders drein. Christian ist angereist, läuft die letzten Tage mit. Wo jetzt Allgäu aufhört und Oberbayern beginnt, weiss ich selber nicht. (Hätte das ja googeln können. War zu faul zu. Musst selber googeln.) Rein zwiebelturmoptisch und landschaftlich machen die Allgäuer und Oberbayern auch keine Unterschiede. Erst wenn zum Ammersee kommst, ändert sich das Landschaftsbild wegen des Gewässers.

Waldläufer
Waldläufer

Noch links vom Lech lassen uns die Frauen links liegen, sie steigen ins Gepäcktransportfahrzeug von Beat. Durch ihn wurde dieser Lauf erst möglich.
Wir baden nackich im Lech zwecks Kühlung. Pia will per WhatsApp erfahren, wie kalt der Lech sei und ich soll ein Foto posten. Ich erwidere: «Miss 5 Zentimeter von deinem Zeigfinger ab, mach ein Foto davon, dann weisst Bescheid, wie kalt der Lech ist. Lech mich am Arsch!»
Wie gesagt: heiss und mit Mangel an geöffneten Gaststätten. Ein letzter geschlossener Biergarten. Ich gehe zur Bäuerin und stelle fest: «Sie haben geschlossen. Wir haben Durst!»
«Ja, Grüassgott, i hol glei mei Buam.»
Sie ist achzig, ihr «Bua» bald sechzig, ist der Wirt und holt Getränke.
«Wohi wollts?» Ja, wir müssen nach Herrsching. Die beiden schauen so, wie die Leute die wissen, dass es nach Herrsching noch gut 30 Kilometer sind. Sicherheitshalber gleich nachdoppeln: Wir kommen von Kaufbeuren. Man sieht deutlich, sie wissen auch, das waren bereits 30 Kilometer.
«Jo, mei. Kamamachen. Muassma aber ned!»
Recht hat sie schon, die Bäuerin. Wir hangeln uns weiter von Dorf zu Dorf, von Dorfgasthaus zu Dorfgasthaus. Das letzte Stück dem See entlang. Herrsching kommt in Sicht. Dann das Hotel. Dann Brigitte. Sie steht noch weiter hinten und winkt energisch. Sie denkt immer mit. Sie weist mich zum Biergarten.

Dämmerung am Ammersee
Dämmerung am Ammersee

Herrsching – München (42 Kilometer)

Es ist eine kurze Etappe. Drum die Geschichte schnell erzählt.

Die letzte Etappe
Die letzte Etappe

Unterwegs nach München, die erste Hälfte über Felder und durch Wälder. auf der zweite Hälfte erreichen wir Münchens Agglomeration, trotzdem ist die Route bis in die Stadtmitte recht angenehm. Erst ein langes Stück durch einen Stadtwald. Dann dem Waldfriedhof entlang. Durch ein Quartier und schon sind wir im Westpark, unserem letzten Sammelpunkt.

Erst mal üben
Erst mal üben

Erst vortrinken im Westpark, ein guter Plan, es ist meiner. Erstens ists heiss und zweitens die Handhabung einer Mass wollen wir nochmal üben, damit wir uns in den heiligen Gewölben des Hofbräuhauses nicht blamieren. Als es Anita auch einhändig beherrscht, brechen wir auf. Durch den Westpark, raus aus dem Westpark, rein in die Fussgängerzone, raus aus der Fussgängerzone, rein ins Hofbräuhaus.

Wildwest im Hofbräuhaus
Wildwest im Hofbräuhaus

Hände hoch – Bier her! Dem ist was abzugewinnen und was wir vorhaben, ist ja entfernt mit einem Überfall sinn- und sachverwandt. Es ist Sonntag, damit es nicht beim einten Überfall bleibt, nehmen wir uns Zeit bis am Dienstag, für weitere Überfälle auf diverse Schluckhallen Münchens. Das ist auch notwendig. Nächstes Jahr laufen wir mit Toni (Toni Tauro) von Basel nach Chiasso. Und weil wir Toni gut kennen, wissen wir, was auf uns zukommen wird: flach ist anders.
Wenn ich eine Strecke vermesse, dann wars hinterher meistens weiter zum Laufen. Wenn Toni eine Strecke vermisst, das stimmt stets ganz genau. Aber sein Streckenwahl weisst immer doppelt so viel Höhenmeter auf, als was nötig wären. Insofern schadet es nicht wenn wir schon hier und heute beginnen, Tonis Streckenführung flach zu saufen.
In diesem Sinne: Oans, zwoa, g’suffa!
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3 thoughts on “Von Basel nach München

  1. Dank däm bricht chan ig mi grad nomol im erläbte sunne. Es isch eimalig gsi. Danke andy fürd idee, fürs plane, organisiere, leite und niederschriebe. Ohni andy, wo vorne dr wäg gspurt het und dr brigitte, wo hinde kontrolliert und streckeabwichige kommuniziert het, wär ig wohl irgendwo im dickicht verlore gang.

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