5000 km Töff-Marathon!

Bericht verfasst von Rolf Kron
Liebe Sportskollegen/Innen
Auch ich gehöre wie der Xavi zu den «älteren Eisen». Zwar noch aktiv, aber seit gut zwei Jahren (Trauma im linken Knie durch fortgeschrittene Arthrose) halt nun auf etwas andere Art. Im Verein bin ich daher fast nur noch beim Senioren-Dienstagshock im «Domino» beim Bier anzutreffen.
Ich verweile gegenwärtig auf Sizilien, Zwischenziel einer grösseren Töffreise; es läuft nun bereits die 7. Woche und ich bin bei 5000 km angekommen. Nach den Dolomiten gings kurz durch Slowenien, dann meistens der Küste entlang durch den ganzen Balkan: Kroatien, Bosnien, Monte Negro (Bild 2-4), Albanien, und weiter bis Griechenland. Anschliessend von Patras mit der Fähre, 15 Std. (Bild oben) rüber nach Brindisi, Süd-Italien. Und schlussendlich bei Messina die Überquerung nach Sizilien. Dass diese doch auch strapaziöse Reise, mir mit 65 Jahren noch immer möglich ist, vorallem auch mit diesem  angeschlagenen Knie, macht mich sehr happy. Ich konnte sehr erfolgreich alternative Therapien (anstelle OP mit neuem Kunststoff-Gelenk) anwenden, die mich nach einem halben Jahr humpeln und kaum Treppen abwärts gehen können, neuen Mut fassen liessen. Es kam kontinuierlich zu einer frappanten Verbesserung, und ich staune heute, was ich alles wieder beschwerdefrei machen kann.

Da gibt es sicher einiges was für gleichaltrige Nochsportler von Interesse sein könnte, doch auch für Jüngere in Sachen Prävention. Als erster Gang nach der Notfallstation und eingehenden Untersuchungen gings zum Physiotherapeuten. Auf Anraten eines aktiven Fussballers zu einem Speziellen. Neben Therapie und entsprechende Übungen zu Hause, empfahl mir dieser auch Tapes zur Faszienaktivierung aufzubringen. Folglich sachte mit MTT (medizinische Trainings-Therapie) 2x die Woche im Fitnessstudio (war mir früher als Läufer immer ein Greuel) zu beginnen .  Daneben kam dann noch AquaFit (Markus Ryffel lässt grüssen) und schwimmen dazu. Eindeutiges Ziel von all dem: Muskelmasse aufbauen und alles, was von Gelenken und Knorpelmasse noch in Takt ist zu schützen. Klar heilen lässt sich eine Arthrose sowieso nicht mehr; da machte mir niemand Illusionen. Doch man kann unglaublich viel erreichen. Es braucht eben auch Glauben und Durchhaltevermögen wie beim Marathon.
Aber HALT! ein ganz wichtiger Faktor fehlt noch: die Ernährung! Was nützt es viel zu trainieren, wenn gleichzeitig bei Proteinmangel der Körper dann wieder am falschen Ort Energie verbrennt. Also brachte der Therapeut auch dies ins Spiel. Ebenso den Wasserhaushalt, der eine sehr grosse Rolle spielt. 1 lt pro 25 kg Körpergewicht heisst es, sind die min. Tagesration für einen Durchschnittsmenschen. Sportler demnach entsprechend mehr. Ich nehme mal an, die meisten von euch heutigen Marathonis wissen ja das. Wenn ich zu meiner Zeit gewusst hätte, wo ich noch mehr Potential hätte umsetzen können… Macht aber nichts, ich bin zufrieden mit der heute wieder erlangten Fitness.
Doch es gab auch immer wieder Zwischenphasen, wo’s nicht so rosig aussah. Da kamen noch ein paar interessante Behandlungsarten dazu. Was nun davon noch das Tüpfchen auf dem «i» bewirkte, kann ich auch nicht genau analysieren; aber es verdient zumindest Erwähnung und bringt ev. Motivation zum Ausprobieren. Bei der TCM (chinesische Medizin), die mir auch schon in manch anderen Fällen geholfen hat, betätigte sich der Therapeut mittels Elektro-Akupunktur an meinem Knie. Oder meine Tapes beinhalten mittlerweile Titan, was auch sehr guten Einfluss haben soll. Bei der Physio kam die Blackrole dazu. Die hat offensichtlich bei entsprechenden Übungen grossen Einfluss auf die Wirbelsäule (wie MTT auch); meine Hexenschüsse sind jedenfalls seit langem nicht mal mehr im Ansatz zu spüren! Dementsprechend durfte diese auch in meinem Reisegepäck nicht fehlen. Auch AquaFit begleitet mich, dass kann man im Meerwasser sogar leicht ohne Weste betreiben! Und so konnte ich, auch mit reduziertem Training, auf der gegenwärtigen Reise bis heute mein Wohlbefinden stabilisieren.
So oder so, das alles ist immer noch viel sinnvoller als eine OP mit mühsamer Rehabilitation. Ausserdem die Krankenkasse wird’s auch freuen… Da ich an dieser Stelle die erwähnten Therapie-Arten nicht alle im Detail schildern kann, würde ich natürlich bei Interesse eurerseits, z.B. beim Di-Hock gerne für Fragen bereitstehen. Meldet euch nur!

So nun zurück zum 5000 km Töff-Marathon! Schon bei der Streckenplanung zu Hause hatte ich beim Durchlesen der Sicherheitsweisungen des EDA so meine Bedenken, vorallem bei den Balkan-Ländern, was Kriminalität, Zollbestimmungen oder Strassenverhältnisse angeht. Bei mir hat sich aber zum Glück das wenigste bestätigt. Mit den Leuten gabs kaum Probleme, im Gegenteil, ich war schon sehr überrascht wie man in Kroatien, Bosnien und Monte Negro auf sehr offenherzige Menschen stösst. Viele sprechen in den Touristen Gegenden auch englisch. Wenn man dann noch ein Bisschen Serbisch lernt (nützt in all diesen 3 Ländern) sind die Sympathien gleich noch grösser. Vielerorts gibt’s Musik und zahlreiche dieser Landsleute sind da viel schneller in Tanzlaune als bei uns, manchmal sogar spontan auf der Strasse! Das hat uns (meine brasilianische Freundin Marina ist Musikerin und ebenso begeisterte Tänzerin wie ich) natürlich des öftern zu tollen Rhythmen tanzen lassen. Die Balkan-Musik ist sehr rhythmisch und  mitreissend.
Das Marina überhaupt dabei war ist auch eine spezielle Geschichte und brauchte eine logistisch umfassende Vorbereitung. Sie ist nicht wie ich als Motorradfreak geboren (mehrere Trips nach Spanien und Portugal lassen grüssen). So suchten wir gezielt nicht zu lange Distanzen aus, passende Flughäfen und Hotels, so dass sie unterwegs «dazu stossen» konnte. So holte ich sie dann in Splitt ab. Zusammen bereisten wir dann die restliche Küste von Kroatien, durchquerten den kleinen Küstenanteil Bosniens, sowie Monte Negro.
Auch einen Teil Albanien machten wir dann noch zusammen, aber ausnahmsweise mit einem Mietauto. Zurück flog sie dann von Podgorica (Monte Negro), da ein Flug von Albanien das Budget gesprengt hätte. Das schwierigste war, wie das Gepäck unterbringen, denn ich startete ja schon «knetevoll» für so eine lange Zeit… Also viel mehr lag da nicht drin; Marina eine sonst kultivierte und adrette Dame hat sich da super eingeschränkt. Sie kam nur mit dem nötigsten, und den Helm, klar auch gleich selbst dabei. Ihre Reisetasche liess sich dann umfunktionieren zu einem Rucksack. Das schwerste wurde nach unten, in den Sitzladeraum ausgetauscht. Aber trotzdem es war nicht ohne, dann halt mit diesem Rucksack auf ihrem Rücken zu reisen. Vorallem das Auf- und Absteigen war jedesmal eine Zirkusnummer, da wir ja beide nicht mehr die Jüngsten sind.
Apropos Albanien, das war schon sehr speziell. Nicht nur wegen der völlig anderen Sprache (Englisch ist zudem, nur sporadisch in viel kleinerem Rahmen anzutreffen). Die Leute sind zwar auch nett, aber sie begegnen dem Tourismus manchmal noch sehr abenteuerlich und vieles ist Glücksache. Ein Beispiel: Privat-Treppe des Hotels «überhängend» – lebensgefährlich. Würde bei uns nie bewilligt… Aber klar, man darf ja auch die Zufahrt nehmen, nur etwa 300 m mehr bis zum gewünschten Ort. Trotzdem wir hatten auch dort sehr  viel schönes und auch interessantes kennengelernt. Darunter auch die Einflüsse des Islam. Wir hatten gerade einen extremen Aussichtspunkt in der Hafenstadt Durres erklommen, starteten die lauten, weit zu hörenden Gebete der Muslime aus allen nah gelegenen Moscheen. Das tönt recht eindrücklich. Marina kennt das von Marokko; angeblich repetieren sich diese Gesänge nach einem bestimmten Muster mehrmals im Tag.
Der absolute Höhepunkt, was Nervenkitzel anbelangt und meinen Adrenalinspiegel in diesem Land in neue Höhen trieb, erlebte ich zum Glück allein, nachdem Marina schon abgereist war. In der Vornacht gewitterte es gewaltig. Das hab ich noch nie gesehen, wenig Donner aber ein Blitz direkt am andern, und das stundenlang; was für ein Spektakel über dem Meer. Am anderen Tag war der Spuk vorbei und eine grosse Etappe nach Griechenland war auf dem Plan. Die Strecke sollte vorwiegend über bergiges Küstengebiet führen. Es kam mir noch der Gedanke, ev. umzustellen und mit grossem Umweg, zuerst in Gegenrichtung ins Landesinnere und via dortige Hauptstrasse alles Kritische zu umfahren. Verschieben kam ja auch nicht in Frage, da der nächste Aufenthalt schon gebucht war. Nun, ich riskierte die kürzere Strecke und früh morgens gings los. Alles war wohl nass und gewisse kleinere Geröllabgänge häuften sich. Ungefähre 100 langsame Kilometer waren überstanden, es ging schon gegen Mittag, so hoffte ich, das schlimmste überstanden zu haben.
Dann plötzlich eine Polizeisperre! Die Frau hielt mich an, ich verstand natürlich gar nichts. Ich sah aber weiter vorn, Arbeiter am Räumen der Strasse. Das sah gar nicht gut aus und ich rechnete schon mit dem Schlimmsten, sprich Umkehr. Sie aber gestikulierte mit den Arbeitern und winkte mich dann zur grossen Überraschung durch! Die Arbeiter gingen zur Seite und betrachteten das Spektakel. Ich fuhr die ersten Meter schwankend über verbliebenes Geröll. Dann kam immer mehr Schlamm dazu und gleichzeitig verschwand das Geröll in bedrohlichem Masse… Ich begann mit dem Hinterrad hin und her zu rutschen und ich hatte alle Mühe meine Maschine im Griff zu behalten. Auch Panik stieg so langsam in meinem Kopf hoch. Aber nun gab es kein zurück mehr, nur nicht stehenbleiben! Ich würde sonst die Kiste nie mehr rausbekommen. Auch die Männer diskutierten nun lauthals, aber ich verstand ja immer noch nichts. Unglaublich, aber endlich kam ich durch. Noch zittrig winkte ich als Dank zurück, und begann ganz langsam wieder Fahrt aufzunehmen, bis die Räder den Schlamm wieder los waren . Das Wetter wurde wieder richtig sommerlich. 2-3 Stunden später entrann ich der Einsamkeit und erreichte die Touristen Hochburg Sarande. Ich erholte mich dort bei einem Imbiss, während einige Leute meinen mittlerweile braunen «Enduro» bestaunten… Von da an lief es wieder, und ich erreichte Anfang Nacht mein Ziel in Griechenland, am Golf von Korynth.
Ja Griechenland hatte auch so seine kleineren Tücken mit Verkehr und Strassen. Die Fahrbahnen der Hauptstrassen sind grosszügig breit angelegt, dementsprechend zügig wird gefahren, besser gesagt «gerast». Der Haken ist aber, fast alle Strassen sind in dieser Gegend auf 50 km/h beschränkt, ganz selten vielleicht mal auf 70. Aber fast alle blochen um die 100 oder mehr! Wer das nicht will, verzieht sich auf den Pseudo-Pannenstreifen und fährt dort sein Tempo. Als Töfffahrer geht das aber nicht, da dieser Randbereich meistens von viel schlechterer Qualität ist, so dass man sich und Fahrzeug gefährdet. Fährst du im linken Fahrbereich, heisst das aber, du hast stets einen im Genick, oder du übertrittst ebenso das Gesetz und rast wie ein Henker. Selbst dann bist du nicht vor ernsthaften Problemen gewappnet. Da die Fahrzeuge auf der inoffiziellen Überholspur eng aufeinander kleben, hast du als Motorradfahrer keine Chance einem plötzlich auftauchenden Schlagloch auszuweichen. Und von denen gibt’s leider immer wieder völlig unverhofft. Denn ansonsten sind die Strassen meistens sehr gut.
Wo ist eigentlich die Polizei bei all diesen Auswüchsen? Es macht den Anschein, der Krisenstaat hat alle entlassen… Denn man sieht sie einfach nie. Auch eine Geschwindigkeitskontrolle bekam ich nirgends zu Gesicht. Auch auffallend, von den Motorradfahrern hat kaum einer einen Helm auf! Und zwar so zahlreich, dass ich vermute, es gibt hier noch keinen Zwang vom Gesetz her. Ich musste das natürlich dann auch noch ausprobieren, wie in den alten Zeiten während dem Fahren den Motorsound ohne Helm 1:1 aufzunehmen… Ganz speziell kommt dann noch die kyrillische Schrift dazu, was für eine Kopfnuss, wenn du schnell eine Entscheidung treffen solltest. Vielfach sind ja die wichtigen Ortschaften auch in für uns normaler Schrift ergänzt, jedoch stets auf einer separaten Tafel. Und natürlich genau dann, wenns ernst gilt, erscheint kyrillisch…
Den Höhepunkt bezüglich krimineller Strassenverhältnisse boten aber die Süditaliener und Sizilianer. Mehrmals tauchte ich in finstere Tunnels ohne jegliche Beleuchtung ein, auch längere! Und das beste, einige dieser Tunnels hatten nicht mal eine Sicherheitslinie !!! Wenn dann noch Gegenverkehr entgegenkommt, ist’s zur Panik wieder nicht mehr weit. Als Motorradfahrer hast du einfach ein eingeschränkteres Blickfeld. Wenn dann noch solche Lichtverhältnisse und fehlende Leitlinie dazukommen, siehst du schnell mal alt aus.
Doch zum Schluss nun ein Fazit über die faszinierend schönen Sachen, die ich ja meistens erleben durfte. Das Wetter war meistens super, und das konstant im August und September. Die paar Regentage lassen sich an einer Hand abzählen, inklusive dem veregneten Start in den Dolomiten und Kroatien. Strände gibt’s herrliche in Hülle und Fülle, in all diesen Ländern, glasklar und in herrlichen Farben. Zwar meistens steinig, dafür umso schöner zum Tauchen. Und vor allem, ganz wenige sind von Touristen überfüllt; ebenso alles zu vernünftigen Preisen zu haben. Bei den Strassen gilt das Selbe, an der Küste vielfach kaum Verkehr; kein Vergleich mit bei uns. Was für ein Vergnügen, mit dem Motorrad über diese gebirgigen Strassen zu kurven. Immer wieder erscheinen die prächtigsten Panoramas.
Ja ich hätte noch viel zum schreiben, aber ich lasse euch Läufer jetzt wieder seggle… Vielleicht ja mal mündlich beim «Dsischtigs-Hock»
bis dann – Rolf
P.S. Der Bericht brauchte seine Zeit; ich bin nun bereits in der 8. Woche (i.M. Sardinien) und an der 6000-er Grenze mit den KM. Mein Töff (400-er Scouter) ist am Anschlag, schreit nach neuem Öl. Ich fahre nun keine unnötigen Touren mehr. Diretissima para casa… Morgen Nacht die letzte Fähre von total 9, nach Genua. Immer speziell, wo den Töff platzieren, der meistens angegurtet wird! Und dann diese Schiffe bei den grossen Überquerungen, gigantisch, Wahnsinn! Unzählige Riesencamions sind da mit drin. Auch die 12,5 Std. in der «Deckklasse» dürften wieder spannend werden, wo und wie am besten schlafen? Da gabs bis anhin auch immer grosse Überraschungen und vorallem sehr wenig Schlaf…
28. Sept. 2017 – Rolf Kron

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