Sommertrainingslager Engadin

Mittwoch 8. August 2018

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Anreise am Mittag. Zimmerbezug. Briefing und schon schickte uns Laura auf die Strecke. Am 8.8. / 8 + 8 = 16 / ergibt 16 Kilometren ins Val Roseg und 250 Höhenmeter mit dabei. Es war eine einfache Route, drum waren auch einige Wanderer, Biker und Rösser mit ihren Kutschen ins Tal unterwegs. Aber für den Beginn eines Trainingslagers genau die richtige Strecke. Links neben mir liegt das Trainingsprogramm, ich schiele mal eben da rüber und bereue unmittelbar, morgen wird das eine ganz andere Bescherung. Keine Chance für Rösser – auch ohne Kutsche.

Aber heute, tipptopp. Kann man nicht meckern. Wetter vorhanden. Zirka 25 Grad am Thermometer und Pia wird’s verkraften, dass ob dem leichten Lüftchen ihr Haar in Unordnung geriet, denn zum Laufen war es optimal.

Donnerstag 9. August 2018

Pontresina – Diavolezza, schlappe 16 Kilometer mit 1200 Höhenmeter. Diavolo heisst bekanntlich Deiwel, insofern die Komposition des Namens Diavolezza astrein. Denn ich habe Diavolezza erlebt. Da fährt auch eine Seilbahn hoch, aber weniger weit denkende machen das zu Fuss. Dass der Fahrpreis dieser Bergbahn im Hotelarrangement mit dabei ist und jeder von uns diese Freifahrtkarte bei sich trägt, macht die ganze Übung auch nicht geistreicher. Denn wir wollen ja hoch laufen.

Die 16 Kilometer gegenüber den 1200 Höhenmeter kannste objektiv betrachtet auch nicht so stehen lassen. Auf etwa 10 Kilometer kriegt man 300 Meter Steigung zusammen. Dann stehen 6 Kilometer mit 900 Metern an. Das muss weh tun, dachte ich mir. Autsch! Aber nicht so wie bei unserem Beschuldigten: Onur. Der war vorgestern vortittsberechtigt mit dem Rad unterwegs. Eine Autofahrerin steht nichtvortrittsberechtig an einer Einmündung. Sie guckt in Richtung Onur. Zögert. Und wie er dann in Abschussdistanz ist: Volltreffer. Polizeieinsatz. Umfallprotokoll: da steht dann Onur Günes als beschuldigter dabei. Im Bündtnerland ist erst mal jeder beschuldigt, Opfer wie Umfallverursacher. Ist ja auch logisch, ohne Opfer (Onur) kein Umfall, ergo: selber Schuld. Sein Velo ist hinüber, er manigfaltig verarztet, aber läuft heute auf Diavolezza.

Es ist ein wunderschöner Trail bis zur Talstation und dann – wie gesagt – ab in die Senkrechte. Das sind Schmerzen, die sind fast nicht auszuhalten, geschweige denn zu begreifen und ich arme Sau muss das auch noch hier aufschreiben. Leide doppelt. Mördermässig. Mein Gesicht war schmerzverzerrt, als ich von der Gondel runter auf unsere Leistungsgruppe schaute. Die hätten auch besser selber die Bahn genommen und mir diesen Anblick erspart. Rücksichtslos sind die. – Womit das Thema Freifahrkarte auch abgearbeitet ist.

Oben am Gipfel kann man Gletscher schauen, oder Reste davon, Bergspitzen und Bergketten. Ringsum nur Gegend: ein Pornorama (langsam verstehe ich die Nacktwanderer). Dann erreichen unsere Läufer den Gipfel. Zum Schluss kommt Ursula mit ihren Stecken übers Geröll vor dem Piz Palü zu uns rüber gehüpft. Chapeau!

Freitag 10. August 2018

Von Maloja nach Pontrsina. 22 Kilometer. 6 Seen. Das kann nur gut werden und so wurde es. Wie üblich Besammlung vor dem Hotel.
«Piero, wo ist deine Sonnenbrille?»
Grammatikalisch eine Frage, rhetorisch ein Befehl. An meine Militärzeit erinnert, wollte ich mich instinktiv wegducken, obwohl: ich heisse weder Piero, noch bin ich ohne Sonnenbrille da.
«Nein.»
Das heisst, er sprach zwar nein, es kam sanft, etwa so an: «Meine allerliebste Sandrine, ich bin ein grosser Bub und meine Mutter hat mich in deiner Hände Obhut gegeben. So wie du dich um mich kümmerst, werde ich dir für immer dankbar sein, würde heute aber gerne ohne Sonnenbrille laufen.» Dabei schaute er so, als ob er ihr mit seinem Blick einen Kuss senden könne. Die Wirkung folgte auf der Stelle, ihre sachlich strenge, zu Eis erstarrte Mine schmolz dahin, noch schneller als der Pers-Gletscher am Piz Palü und wich ihrer gewohnt charmanten, lieblichen Ausstrahlung.

Aha, so macht man das – ich war beeindruckt. Das probiere ich dann gleich mal zuhause aus. Wenn Formel 1 läuft, was sie jedes mal daran erinnert, dass sie noch staubsaugen muss. Beim nächsten Rennen sage ich dann auch: «Nein.», und schau blöd hinterher – bin gespannt ob’s auch so wirkt.
Die Busfahrt nach Maloja dauerte eine Dreiviertelstunde, was knapp reichte, um mir in Gedanken meine obige Pointe zurecht zu biegen, damit ich es psychologische weniger Versierten auch verständlich wiedergeben kann.

Aus dem Postauto raus, bin ich gleich losgerannt. Gemäss Vereinbarung mit Sandrine, würde ich mich auf dem Wanderweg am See aufstellen und Bilder machen. Damit ich auch mal die ganz schnellen fotogarfieren kann. Guter Plan. Weit hinten sehe ich die ersten durchs Tannengeäst, die müssten nach zwei, drei Minuten vor mir ums Eck gerannt kommen. Durch die Tanne ist schon die zweite Gruppe auszumachen. Alleine – bei mir kommt keiner vorbei.

Dann sehe ich die, nicht am See, noch auf dem Wanderweg, aber über mir auf einem Waldsträsschen. Meine anfänglichen Zweifel, ob ich obiges so frech schreiben darf, waren auf der Stelle verflogen. Jetzt erst recht, nicht mit mir Freundinnen. Den Ufertrail entlang wetzte, hechte und hoble ich. Und wo gehobelt wird, fallen Späne – heute Abgottspäne. Bei Zusammenschluss der beiden Wege komme ich bei Gruppe 5 raus. Die Leistungsgruppe ist einen halben Kilometer weiter vorn noch zu sehen.
Was dann passierte weiss ich nicht, weil erinnern kann ich mich nicht. Jenseits der anaeroben Schwelle von der anaeroben Schwelle unterwegs (anaerob hoch 2) blieb kein Sauerstoff-Elementlein über, um noch eine einzige Hirnzelle zu versorgen. Dabei ist doch meine Hirnzelle noch so eine kleine. Es gelang aber Fotos von den vordersten Läufern zu knipsen.
Was danach passierte weiss ich wieder. Ich hätte kotzen wollen, mir war übel, die Beine schmerzen. War selten so platt. Zum Glück lebt im Stazer Wald ein Medizinmann, der gab mir Medizin. Das half sofort, ich ward normal. Und realisiere, der ist gar nicht Medizinmann. Der ist Wirt; der gab mir Bier.

Der sportliche Leser weiss längst, wir sind auf der Strecke vom Engadiner Sommerlauf unterwegs. Der hat ein paar liederliche Steigungen. Dann wurden die Steigungen noch liederlicher. Das ist nicht mehr der Sommerlauf, jetzt heisst die Route Engadiner Skimarathon. Gestern liefen wir auch zum Stazer See und ich fragte dauernd, wo jetzt dieser Skimarathon lang geht. Meine Fresse, jetzt weiss ich das aber – und wie. Beim nächsten mal gehe ich auch zum Biken.

Samstag 11. August 2018

Pontresina – Alp Languard – Segantini-Hütte – Muottas Muragl, 16 Kilometer mit 1000 Metern Steigung.
Auf der Segantini-Hütte erklärt Ursula, sie hätte Männertreu gefunden. Männertreu, Männertreu, auf einmal gackern alle Frauen von Männertreu und machen Witze dabei. Sie hat sich vor ein paar Monaten bei mir für die Marathonreise im Herbst – mit treuem Freund – angemeldet. Als Gentleman nimmt man so etwas zur Kenntnis und schweigt. Insofern war die heutige Männertreu-Diskussion für mich nichts bahnbrechendes.

Dann sag sie: Männertreu! Etwas was es bei Männern nicht gibt. Sie ist verwirrt, keine Frage. Die dünne Luft auf 2731 Metern offensichtlich zu dünn. Einmischung in die Diskussion zwecks Feststellens ihres Wohlbefindens bringt ans Tageslicht, unsere Damen sprechen über eine Pflanze die angeblich Männertreu heisst und machen sich dabei über uns lustig. Kenne die Vierblättrige Einbeere, die Ährige Rapunzel – aber eine Männertreu in der Botanik? Jetzt in der Gruppe, die werden richtig übermütig. Ja – ihr, ihr könnt doch nicht treu sein! Jetzt wird die Luft doch zu dünn, mir’s zu blöd: Abmarsch!

Zuvor von Pontresina auf die Alp Languard geht’s steil durch den Wald. Junge Marder spielen auf dem Wanderweg. Bis sie sehen, wer da kommt. Hauen ab. Kommen wieder, schauen wer da kommt. Sind wieder weg. Nochmal ein letzter Kontrollblick, dann endgültig ab in den Bau. Auf Alp Languard sind gut die Hälfte der Höhenmeter zur Segantini-Hütte hinter uns. Die Hütte sieht man jetzt und der Pfad führt ins hochalpine Gelände. Eben bis zu besagter Segantini-Hütte, einst ein Schafstall, dann Unterkunft für den bekannten Maler.

Später im Tal, kommt’s mir in den Sinn. Das war ganz anders. Es war ein Mann, ein Botaniker, der dieses Gewächs als erster bestimmte und dafür einen Namen suchte. Man muss wissen, seine Frau war eine, die war bei Männern etwas flexibel. Traurig dachte er bei sich: «Frauen bleibt den Männern treu!» Und so nannte er die Blaume Männertreu (Blaume = blaue Blume).
Andersrum kann’s gar nicht gewesen sein. Denn Männer sind treu. Und echte Männer sind sich selber treu!
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