Das Interview wurde geführt von Christa Willin (März 2008)
Martin, auf einem gemeinsamen Longjog haben wir uns mal ausgiebiger unterhalten, da hab ich Dich auch gleich auf ein Interview festgenagelt; schön dass es gerade an Ostern stattfinden darf! An selbigem Longjog ist der Übername «Trans -Monster» entstanden – wie viele solcher Trans-Läufe hast Du eigentlich bereits hinter Dir!
Martin: Also nicht alle meiner Mehr-Tages-Läufe heissen «Trans-……» – da wär zunächst mal der Swiss Jura-Marathon, dann zwei Mal Transe Gaule quer durch Frankreich, und dann Trans -America und Trans-Europa – das wär’s dann schon.
«Schon»?!?! – und wie viele davon hast Du gewonnen!
Martin: Letztes Jahr den Trans e Gaule, 2002 Trans -America, und beim Trans-Europa 2003 wurde ich Zweiter, das find’ ich auch nicht schlecht.
«Nicht schlecht» ist gut – ich falle innerlich auf die Knie vor sowas! Aber zunächst zu ganz andern Themen! Was machst Du nebenher – also folglich beruflich! Kannst Du uns einen kleinen Einblick in Deinen Arbeitsalltag geben!
Martin: Ich arbeite bei Coop in der Informatik, noch nicht allzu lange. Davor war ich ein Bankenmensch bei der Kreditanstalt; aber nach der HWV (Hochschule für Wirschaft und Verwaltung; heute Fachhochschule beider Basel) hat’s mich zur Informatik gezogen, ich bin da mehr oder weniger hinein gerutscht. Erst als Berater, und jetzt arbeite ich wie gesagt bei Coop in der Informatik. Wir analysieren Prozesse, machen Spezifikationen und programmieren und setzen die Programme um – wobei ich selbst nicht programmiere. Wir machen Spezifikationen für die Zeitbewirtschaftung fürs Personal; die liefern uns ständig die neue Anforderungen. Vor zwei Jahren haben wir eben eine neue Software umsetzen lassen, eine Eigenentwicklung, da gibt’s immer wieder zu tun. Denn Coop ist ein grosser Laden, da kommt immer wieder Neues.
Also hast du Dich für die Informatik umschulen lassen und eine Neuausbildung gemacht!
Martin: Nein, gar nicht, ich bin da wirklich einfach so reingerutscht.
Aber ich hab den Eindruck, Du arbeitest eher nebenher… und dann hast Du ja noch Familie!!
Martin: Ja, manchmal arbeite ich schon etwas nebenher; wenn ich ein Projekt im Kopf habe, ist mir das schon wichtiger. Aber auch das Training läuft zurzeit eher nebenher. Als die Familie noch nicht da war, ging das sehr gut und ich lief oft noch spät abends mit der Taschenlampe, aber nun gibt’s natürlich schon andere Prioritäten. Die Familie steht schon an erster Stelle, wie das ja auch sein soll! Und an zweiter das Laufen und erst an dritter Stelle die Arbeit… ;-))
D.h., Deine Liebsten erleben Dich auch noch anders als durch-die-Gegend-flitzend?
Martin: Auf jeden Fall! Zumindest gehe ich davon aus….. (Gelächter allerseits..) ….es ist halt sehr zyklisch. Momentan hab ich ein Zwischenjahr, da trainiere ich nicht so häufig, aber nächstes Jahr z.B. steht wieder Trans-Europa vor der Tür, da muss man schon mehr investieren und das Training verdoppeln und ist mehr unterwegs. Aber das sind vielleicht 3-4 Monate die sehr intensiv sind – plus natürlich der Lauf selbst, noch einmal 2 Monate.
Eliane ist jetzt 2-jährig, da wird sie Euch wohl ohnehin ganz gut auf Trab halten…
Martin: Oh ja, die hält uns auf Trab, das kann man sagen!!
Und hält sie schon mit – kommt da bereits die Nachwuchsgeneration?
Martin: Ja ich denke schon; sie kann sehr gut rennen und ist ein Bewegungsmensch, das kann man bereits jetzt sagen! Sie erforscht alles und findet es interessant. Und letztes Jahr beim Transe Gaule, da war ja die Familie dabei, und da hat sie immer am Schluss einer Etappe fleissig mit mir die Dehnübungen mitgemacht, das war ganz herzig!!
Wow! – aber klar, Papa rennt, Mama rennt, Götti rennt (der Michi Misteli) – da wird sie gar nicht anders können… Aber erzähl mir doch mal was zu Deinem Werdegang zum «Trans-Monster»!
Martin: Mein damaliger Chef hat immer die Zeitschrift «Runner’s World» durchgeblättert. Erst dachte ich immer «der spinnt doch, was soll das» – aber dann bin ich mal an einen Lauf mitgegangen. Der erste war der Birslauf, und dann kam mal der Laufener Lauf; ich fand es noch ganz lustig. Im Jahr drauf, 1999, hab ich dann den ersten Marathon gemacht in Biel. Da sah ich alle die Finisher vom 100er und sagte mir «was die können, so ein wenig spazieren, das kann ich auch!» Man ist in dem Moment natürlich mit den Langsamen zusammen. Aber ich dachte «g’hupft wie g’sprunge», nächstes Jahr mach ich das! Im Herbst lief ich dann noch drei Marathons und startete dann wirklich im Frühling drauf am 100er und im selben Jahr, 2000, auch noch am Swiss-Alpine und am Swiss-Jura-Marathon. Und genau bei der Gelegenheit hat’s mich gepackt, da wusste ich «Mehrtagesläufe, das ist es!!» Und ein Jahr später bin ich dann also zum ersten Mal den Trans Gaule quer durch Frankreich gelaufen. Ich hatte grosse Probleme mit Knochenhautentzündungen, aber irgendwie bin ich angekommen und noch recht gut platziert, ich wurde Vierter und war sehr zufrieden. Aber bereits kurz vor diesem Lauf hab ich mich schon für den Trans -America angemeldet. Ich hatte darüber ein Buch gelesen, war unheimlich fasziniert und dachte «das wär’s!!» Dieser Lauf findet nur alle paar Jahre statt, und ich hatte gesehen das es 2002 einen geben wird und meldete mich eben an. Und dann ging das so gut! Der Trans-Europa ein Jahr später war eigentlich nur noch zum Abrunden. So ging das, und plötzlich bist Du in der Szene drin und wirst angesprochen «hey kommst Du mit, es gibt wieder einen Lauf!», und dann meldest du dich eben an…
Das fasziniert mich völlig, ich dachte ja schon öfters es würde mich gluschten – aber ich trau mir’s nicht so richtig zu. Was würdest Du so jemandem wie mir – also eher einem Genussläufer mit nur sehr massvollen Ambitionen – für Tipps geben!
Martin: Wenn du Lust hast was zu machen, z.B. Swiss-Jura-Marathon, dann würd ich’s einfach machen und nicht zuviel überlegen. Z.B. quer durch Frankreich sind um die 1150 km, Trans- America bereits 5000km – da hab ich mich auch gefragt, «schaff ich das überhaupt, geht das!!» Aber dann muss man halt einfach machen und ausprobieren – ob’s funktioniert oder nicht kannst du im Voraus nie sagen.
Gab’s denn während eines solchen Laufs nie den Moment wo Du gesagt hast «jetzt hör’ ich auf» oder Motivationsprobleme – und falls, wie bist Du damit umgegangen!
Martin: Trans-America war schon hart, ich hatte einen Haufen Probleme meist kleinerer Art – mal tat der Haxen weh, dann mal der Knöchel und dann wieder das Knie, Schürfungen am Rücken von der Hitze und… und… und… aber ich hab nie auch nur eine Minute daran gezweifelt dass ich in New York ankommen würde. Man muss einfach einen gewissen Killer-Instinkt haben und sagen, «ich lauf das Ding jetzt fertig!!»
Killer-Instinkt!! Das kann ich jetzt gar nicht mit Dir verbinden, passt irgendwie nicht zu Dir!
Martin: Aber es hat was, du darfst nicht wirklich zweifeln, sonst denkst du immer weiter wie «eigentlich bin ich müde» oder so……… …… ich sage mir einfach bei jedem Lauf nur «ich lauf ihn fertig!» Es gab nur ein einziges Mal wo ich wirklich Zweifel hatte, es zu schaffen, das war die Tour du Mont Blanc. Aber als ich die Müdigkeit überwunden hatte, sah ich dass ja andere noch langsamer sind als ich……….. Aber eben, das braucht man schon, und auch eine gewisse Arroganz – natürlich nur bei sich selbst! Man muss einfach denken «ich kann das und ich bin eh besser als die andern», ohne das natürlich laut zu sagen – aber der Gedanke treibt Dich vorwärts. Auch dass man sagt «ich hab da jetzt soviel investiert, ich schaff das jetzt auch!» Das ist genug Motivation!
Wie machst Du das mit der Verpflegung – wenn Du da täglich 70-80km läufst, was kannst du essen, was ist möglich und wie hältst Du Dich bei Kräften!
Martin: Also bei den Mehrtagesläufen hab ich’s mittlerweile gut im Griff. Meine Strategie ist gut trinken, möglichst wenig essen, und möglichst rasch ins Ziel kommen – dann aber gleich reinhauen!! Beim Trans-America z.B. gab’s im Ziel immer gleich einen Burger und Pommes, oder auch mal Pizza oder so…
… also wirklich so richtig «gesund»!!?! ;-))
Martin: Ja, so richtig fett, denn du brauchst diese Fette, du brauchst wirklich Kalorien, und da ist genau das Problem wie du wirklich auf genug Kalorien kommst. Aber wie gesagt, da hab ich’s ziemlich gut im Griff mit genug essen und dann während des Laufens selbst mehr einfach trinken. Was für mich eher problematisch ist, das sind die 24h-Läufe. Da genügt es nicht mehr, 24 Stunden durchzulaufen und erst danach zu essen. Da hab ich jeweils recht Probleme und bin jedes Jahr am Pröbeln. Da musst du einfach essen, nur mein Körper goutiert das nicht so richtig.
Und was isst Du denn also so während eines Laufs?
Martin: Solange ich Lust habe, alles: Bananen, Schoggi oder sonstwas. Aber dann kommt meist irgendwann der Moment, dass ich keine Lust mehr habe. Eigentlich fahre ich besser wenn ich nur trinke, und bei Mehrtagesläufen mache ich das klar so.
Wie hälts Du Dich aussehralb des Laufens fit – machst Du noch Krafttraining oder andere Sportarten?
Martin: Nein, gar nicht bis jetzt. Was ich ab und zu mache, sind Kraftübungen für die Füsse, um Knochenhautentzündungen vorzubeugen. Das mach ich immer im Frühling. Aber sonst eigentlich gar nichts. Nur dehnen tu ich immer, das ist wichtig. Ohne Dehnen wäre ich in America nie angekommen, davon bin ich überzeugt. Ich hab da zuvor sehr viel gelernt von einem Wüsten-Läufer, Jacqeus Martin – das ist der erste der in Marokko durch die Wüste ist. Der hat mir in Sachen Dehnen viele Tipps gegeben. Man kann sehr viel machen mit Dehnen, und seither hatte ich auch nie mehr Probleme mit Knochenhautentzündung!
Im LSVB hab ich Dich während langer Zeit nur sehr selten gesehen. Das hat sich in den letzten Wochen zum Glück etwas geändert! Wann und wie hast Du den Verein eigentlich kennen gelernt! Und warum hat man Dich über so lange Zeit fast nie gesehen!
Martin: Zum Verein kam ich Ende 2000/Anfang 2001. Eine Zeitlang bin ich dann immer gegangen, Dienstag, Donnerstag und auch am Sonntag, einfach immer. Das hab ich ca. 2 Jahre so durchgezogen. Dann, nach dem Trans-Europa hat sich das geändert, ich hatte einfach nicht mehr so Lust und kam dann halt mal mehr mal weniger. Und in den letzten Monaten, da hast Du recht, da kam ich kaum noch. Jetzt versuche ich aber am Dienstag wieder regelmässig zu kommen, denn ich hab wirklich wieder Lust dazu. Es ist halt etwas mühsam, immer bis 18.30 Uhr zu warten – ich bin oft vom Geschäft aus über Mittag gegangen. Das war eigentlich das Hauptproblem, sonst hat’s mir im Verein immer sehr gut gefallen, nach wie vor, und eigentlich bedaure ich es selbst wenn ich nicht regelmässig dabei bin. Und am Samstag ist jetzt oft mit Andy der Longjog, da bin ich in aller Regel dabei, das find’ ich super!
Gibt es etwas, was Du besonders schätzt im Verein – und auch etwas, das Dich stört?
Martin: Was ich besonders schätze, ist, dass jeder etwas andere Ziele hat, das find’ ich genial. Ich kann von den Marathonläufern profitieren, und zwar sowohl von den ambitionierten als auch von denen die eher im langsameren Bereich laufen – dann gibt’s da einige «Ultras»; solche, die mehr auf Kurzstrecken ausgerichtet sind und auch solche die einfach für den Plausch laufen und auch grosse Vorbilder sind – der Heiri Emmenegger zum Beispiel und noch viele andere. Und es ist «e glatte Huffe» – und das meine ich absolut nicht abschätzig, sondern man hat es auch lustig zusammen, das finde ich toll. Wär’s so ein stures Training, wo man nicht lachen und nicht «papp» sagen darf, würd’s mir stinken. Und auch die diversen Anlässe – ich war x -mal in Ettenheim, einmal auch in Mallorca mit Alexa zusammen – oder sonstige Anlässe, wo wir z.B. zusammen an Marathons gefahren sind – das gefällt mir sehr. Das sollte man auch verstärken, es macht einfach sehr viel mehr Spass als alleine an einen Wettkampf zu gehen. Stören – wenn überhaupt, dann höchstens bei der GV das ewige Thema «Vereins- Meisterschaft», die Endlosdiskussionen, das hat mich lange auf die Palme gebracht. Und ich wäre auch nicht mehr gekommen, hätte man das nicht mal beenden können! Ich finde das furchtbar! Ok, man darf gegen Kollegen laufen, ich tu das auch ab und zu – wenn ich den Michi vor mir hab, denk ich auch «dä hol y jetz no!» aber es hat Grenzen, und die VM sollte man etwas lockerer sehen. Aber das Thema ist zum Glück vom Tisch, und sonst stört mich nichts!!
Als ich zum allerersten Mal von Dir hörte – ich kannte Dich noch lange nicht – war das kurz nach dem 24-h-Lauf 2006. Du wurdest Vize-Schweizermeister. Da wurde mir erzählt, dass Du schon mal so schnell als Training von Muttenz nach Luzern, auf den Pilatus hoch und wieder runter rennst… kommst sowas häufiger vor! Und wie oft und wieviel rennst Du so durchschnittlich in der Woche!
Martin: Also das mit dem «Muttenz-Pilatus»-Training war nur einmal. Und mit dem Training allgemein: wie schon gesagt, das is t sehr zyklisch. Vor dem Transe Gaule waren das ca. 100km/Woche. Vor dem Trans-America aber hab ich das verdoppelt. So bin ich im 2002 auf insgesamt 10’000 km gekommen – Laufvorbereitung plus Lauf selbst plus bereits wieder die Vorbereitung auf Trans-Europa. Aber dann gibt’s wieder Jahre in denen ich nur auf 4000km komme – wie gesagt, total zyklisch. Es gibt auch Monate wo ich gar nichts mache, November/Dezember – nur so 2x/Woche ganz gemütlich etwas joggen und nicht mehr. Einfach auch um mal für den Geist etwas anderes zu machen.
Da gibst Du mir grad das Stichwort – was hast Du denn da so «für den Geist»? Betätigst Du Dich da künstlerisch, oder hast Du Spezialgebiete oder besondere Hobbies…!
Martin: Künstlerisch gar nichts, das liegt mir nicht – aber ich bin sehr vielseitig interessiert und lese sehr gerne, hauptsächlich Wissenschaftliches – alles was in Physik reingeht, Astronomie, Mathematik etc., das fasziniert mich sehr. Dann segle ich auch sehr gerne; ich hab vor einigen Jahren den Hochseeschein gemacht und bin dann einmal jährlich aufs Meer – das letzte Mal vorletztes Jahr in Norwegen. Ich übe nur wenige Hobbies aus, aber wenn, dann dafür jeweils ziemlich intensiv. Und Du weißt ja selbst wie das ist im Laufsport – da bleibt nicht sehr viel Zeit für anderes… Doch, Wandern, das mach ich auch sehr gerne und das machen wir auch mit der Familie immer wieder.
Segeln! – Du bist wirklich immer für Überraschungen gut!Und dann ist mir noch was zu Ohren gekommen – anscheinden sollst Du vor ein paar Jahren mal zu jemandem gesagt haben «ich hör jetzt auf mit Laufen und mache nur noch Fasnacht!» Da bin ich natürlich hellhörig geworden und dem mal nachgegangen – und hab was Tolles rausgefunden…..
Martin: Ja – ich trommle!
Ja genau, und das hat für uns jetzt die weiterreichende Konsequenz, dass wir in Zukunft hoffentlich nicht nur zusammen «seggle», sondern auch an Basels schönsten drei Tagen zusammen «ruesse»! Darauf freu ich mich bereits riesig! (Wenige Wochen drauf ist Martin offiziell in unserm Schyssdräggziigli aufgenommen worden; Anmerkung CW). Aber noch einmal zurück zum Laufen. Du hast ja nächstes Jahr wieder ein grösseres Projekt vor, hast Du gesagt!
Martin: Ja, der Trans-Europa, dieses Mal von Bari ans Nordkap. Wir gehen wieder mit der ganzen Familie hin! Ansonsten hab ich nur noch kleinere Ziele: dieses Jahr im Herbst will ich nach Griechenland an den Spartathlon: das ist ein Lauf von Athen nach Sparta, 246km nonstop; aber das ist nur zum Spass, ich setz mir da keine Zeitvorgabe. Danach hängen wir gleich noch Ferien dran.
Gut, soviel also zu Martin’s «kleineren Zielen» (schluck!) wir freuen uns bereits auf die Berichte, die es hoffentlich gibt! Hast Du einen Leitspruch für Dein Leben!
Martin: Nicht eigentlich – einfach Freude an der Sache!
Das ist doch ein gutes Schlusswort!! Martin, es hat viel Spass gemacht, ganz herzlichen
Dank für dieses Gespräch!!

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